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BETWEEN

GAN-ERDENE TSEND – BETWEEN

28. FEBRUAR – 25. APRIL 2015

ERÖFFNUNG, FREITAG, 27. FEBRUAR 2015, 18 – 21 UHR

 

 

Das Spiegelbild in einer Wasserlache zeigt uns an der Seite einer jungen Frau einen Begleiter, der in der als »real« geschilderten Bildszene erstaunlicher Weise fehlt; Menschen und Tiere verlieren sich in der endlosen Weite einer großartigen, unberührten Natur, die ihnen aber dennoch – wie es scheint – Geborgenheit und Schutz verleiht. Immer führt uns die Kunst Gan-Erdene Tsends in eine Welt, die auch etwas Rätselhaftes, etwas still Fragendes in sich verbirgt, und in der eine nahezu göttliche Wahrhaftigkeit durchscheint. 

 

Diese Intensität und magische Kraft erzeugt der Künstler aus dem »BETWEEN«, dem unsichtbaren Zwischenraum zwischen zwei verschiedenen Welten: einer dinglichen, die sich in der Realität der dargestellten Person abspielt, und einer ideellen, welche in den Gedanken, der Fantasie und der Erinnerung der Menschen stattfindet. Aus dieser Grundkonzeption heraus werden seine Bilder zum Spiegel einer inneren, geistigen Erfahrungswelt, in der die universalen, existenziellen Fragen der Menschen wie Liebe und Trennung, Krieg und Frieden, Geburt und Tod thematisiert werden. So bietet die Gegenüberstellung dieser zwei Welten – der äußeren und der inneren – in einem Werk Gan-Erdene Tsend die Möglichkeit, die Gedanken und Gefühle auf die Leinwand zu projizieren. Das Unsichtbare manifestiert sich im Sichtbaren. Seine Bilder sind dadurch von einer geradezu verinnerlichten Ausstrahlung beseelt und man spürt, dass sie – wie der Künstler selbst sagt – »vom Herzen kommen«.

 

Dabei ist die Kunst Gan-Edene Tsends immer auch ein Spiegel seiner eigenen Lebenserfahrungen, die ebenfalls tief von den Polaritäten zweier selbsterfahrener Welten durchdrungen ist. Fernab von seiner Heimat bestimmen gerade seine Kindheitserlebnisse sein malerisches Werk. 1979 im mongolischen Murun geboren, verbrachte Gan-Edene Tsend seine ersten Lebensjahre in den Bergen und weiten Steppen am Rande der Wüste Gobi. Inmitten dieser allmächtigen Natur führte er das traditionelle nomadische Leben der Mongolen. Mit seinen Großeltern lebte er in den landestypischen Filzjurten und lauschte dort den wundersamen Geschichten und Märchen seiner Großmutter. All diese Kindheitseindrücke haben bis heute einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen und spiegeln sich in der einen oder anderen Art in seiner Kunst wieder. Eine weitere Zäsur im Leben des Künstlers bedeutete dann der Umzug nach Deutschland, wo er an der Kunstakademie Münster (NRW) studierte und wo er erstmals einer für ihn völlig fremden Kultur begegnet.

 

Für Gan-Erdene Tsend bedeutet dieses Zusammentreffen zweier Welten, der mongolischen und der deutschen, die Wiederentdeckung und erneute Wertschätzung der mongolischen Natur und ihrer Gesetze. Als Konsequenz wird die Darstellung der Natur und das Leben in dieser das zentrale Bildthema seiner Malerei. Diese Naturerfahrung Tsends zeigt sich in seinen Bildern in der menschenleeren Unendlichkeit seiner reinen Landschaften. Gleichnishaft erzeugt er in feinen, teils pointillistisch getupften Farbverläufen und unter Berücksichtigung der physischen und psychischen Farbwirkungen atmosphärische Lichtstimmungen, mit denen er das Wirken der Natur verbildlicht, und mit denen er den Naturraum für uns in einen meditativen Zufluchtsort transformiert.

Daneben konzipiert er Landschaften, in denen er durch die Gegenüberstellung von Natur und der in ihr lebenden Menschen und Tiere politische wie gesellschaftliche Aussagen artikuliert. So reitet in dem Bild »Friends« (2014) ein Junge mit seinen Pferden in einer Landschaft, die sich im gelb-grün-blauen Dunst ganz aufzulösen scheint. Eng schmiegen sich die Tiere aneinander, in deren Geschlossenheit die Zusammengehörigkeit und Geborgenheit die Großfamilie anklingt. In dieser Hinsicht bilden Pferde eine ähnliche Gemeinschaft wie der Mensch innerhalb seiner Familienstruktur. Doch gleichzeitig impliziert das immaterielle Verschwimmen der sie umgebenden Landschaft auch die Verlorenheit und damit die Zerbrechlichkeit dieses engen familiären Gefüges. In subtilen Andeutungen deutet Gan-Erdene Tsend die Bedrohung des traditionellen Familienverbands durch die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen an.

Ein weiteres wesentliches Bildthema im Œuvre Gan-Erdene Tsends findet sich in seinen so genannten ›Spiegelungen‹, in denen er anhand der Abweichung zwischen der eigentlichen Bildszene und der im Bild dargestellten Spiegelung zwei verschiedene Realitätsebenen – eine reale und eine imaginierte – aufeinander bezieht. Im gespiegelten Bild taucht dabei immer ein Geschöpf auf, eine Person oder ein Tier, welches in der dargestellten Bildwirklichkeit fehlt. In diesem Kontext artikuliert der Künstler in den ›Spiegelungen‹ noch einmal ganz klar die Bedeutung von Veränderung, Verlust und Trennung für den Menschen. Denn in der Differenz zwischen dem, was ist, und dem, was war oder sein wird bzw. sein könnte, kommt in der zusätzlich auftauchenden Person in dem ›Bild im Bild‹ genau das zum Vorschein, was wir verloren haben bzw. was wir vermissen oder an wen wir denken. Durch das Unkörperliche des Spiegelbildes wird ihre visionäre Dimension nochmals hervorgehoben. Die ›Spiegelung‹ ist somit immer auch die Reflexion eines Gedankens und damit das Abbild, die Imagination einer Erinnerung.

 

Kurzbiographie

1979 im mongolischen Murun geboren, wächst Gan-Erdene Tsend in seinen ersten Lebensjahren bei seiner Großmutter auf, die in den Bergen und Steppen am Rande der Wüste Gobi das traditionelle nomadische Hirtenleben führt. Zwischen 1996 und 2001 absolviert er sein Studium an der Hochschule für Bildende Kunst in der Hauptstadt Ulaanbaatar. Anschließend studiert Tsend von 2003 bis 2010 an der Kunstakademie Münster in der Klasse von Prof. Hermann-Josef Kuhna, der ihn 2007 zu seinem Meisterschüler ernennt. Erste Wertschätzung erfuhr er bereits 2006, wo er in Herne den Kunstpreis für Junge Kunst erhielt und 2012, wo er mit dem europaweit bekannten Kunstpreis Wesseling ausgezeichnet wurde. Seit einigen Jahren ist Gan-Erdene Tsend kontinuierlich regional und überregional in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen vertreten, wodurch seine Arbeiten zunehmend Beachtung finden.

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