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FROM ANOTHER PERSPECTIVE

GERHARD LAUNER

FROM ANOTHER PERSPECTIVE

17. November – 29. Dezember 2012 Eröffnung: Freitag, 16. November 2012, 18 – 21 Uhr

Alles ist eine Frage des Standpunktes: selten lässt sich diese Einsicht so unmittelbar nachvollziehen wie an den spektakulären Luftaufnahmen, die Gerhard Launer von seinen Expeditionen zwischen Himmel und Erde mitbringt. Mit der Ausstellung FROM ANOTHER PERSPECTIVE präsentiert die Haleh Gallery das Werk des wohl bekanntesten deutschen Luftbildphotographen – und wirft neue, überraschende Blicke auf scheinbar Bekanntes.

Wenn Gerhard Launer mit seiner Cessna aufsteigt, ist die Kamera sein Copilot. Denn Launer ist beides gleichzeitig: Photograph und Flugzeuglenker. Um seine Motive einzufangen, bewegt er nicht das Objektiv, sondern den ganzen Flieger. Seit über 35 Jahren ist er so über Deutschland unterwegs, immer auf der Suche nach neuen Blickwinkeln. Was seine Arbeiten faszinierend macht, ist genau dieser Perspektivwechsel: Aus der Distanz schrumpft die Welt zu einer fassbaren Größe, klären sich Zusammenhänge, die vorher unsichtbar waren; aber zugleich erscheint das Vertraute plötzlich fremd und will mit anderen Augen gesehen werden. So kommt Launer den Dingen näher, indem er sich von ihnen entfernt.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Werke, in denen sich Stadt- und Naturlandschaften zu künstlerischen Texturen verdichten. Wie die impressionistischen Maler kehrt Launer zu manchen Sujets immer wieder zurück, um sie im Wandel der Tageszeiten und Lichtstimmungen zu dokumentieren – etwa die tausend Facetten des Wassers: als glitzerndes Band in den blauen Dunst eines Nebelmorgens getupft, changierend zwischen nervös gekräuselten Flächen und ruhig hingezogenen Bögen, zwischen leuchtendem Grün und flammendem Orange, zwischen tiefdunkel und gleißendhell. Mitunter reduziert Launer seine Gegenstände bis an die Grenze der Wiedererkennbarkeit zu graphischen Kompositionen aus Farben und Strukturen. Der Rhythmus von Feldern und Wegen erinnert dann vielleicht an Gemälde Paul Klees, das Muster aus feinen Ackerfurchen und Traktorrinnen an die black paintings Frank Stellas.

Besonders eindrücklich sind die Momente, in denen dem Betrachter alle Größenmaßstäbe verlorengehen und nicht mehr zu unterscheiden ist, ob wir die Welt aus der Vogelperspektive oder in extremer Nahsicht sehen. Könnten die Abraumhalden eines Braunkohletagebaus nicht ebensogut Strickmaschen sein oder Schweißnähte? Sehen die adrigen Priele im Wattenmeer nicht aus wie der stark herangezoomte Schnitt durch ein Blutgefäß? Die Strukturen des arktischen Eises nicht wie seltsame Rädertierchen unterm Vergrößerungsglas? Launers Spiel von Täuschung und Ent-Täuschung lässt die Grenze zwischen Makro- und Mikrokosmos verschwimmen. Und wir müssen genau hinsehen, um die subtilen Hinweise auf die tatsächlichen Dimensionen zu finden: Ein hypnotisches, grau-schwarzes Raster wird erst als Licht-und- Schatten-Spiel am Berliner Holocaust-Mahnmal erkannbar, sobald am Bildrand ein Häuflein Touristen ins Auge fällt; die erdigen Bahnen eines Feldes bleiben ornamentale Farbschlieren, bis man den winzigen Schatten eines einzeln stehenden Baumes entdeckt.

Der Reiz von Launers Arbeiten liegt in eben diesem Kippeffekt. Nie geht es um eine reine Abstraktion. Die Welt, die der Photograph vor uns ausbreitet, mag uns verfremdet und unbekannt vorkommen; aber sie ist nicht fiktiv, sondern nur eine Version der einen, echten Welt, die uns täglich umgibt. Eine andere haben wir nicht – und gerade deshalb stellen die Bilder Gerhard Launers in ihrer Schönheit auch die dringende Frage, wie wir diese Welt so, wie wir sie heute noch vorfinden, für die Zukunft erhalten wollen.

Gerhard Launer, *1949 in Werneck (Bayern), erhielt schon als Kind Geigenunterricht, war im Alter von neun Jahren Schüler des renommierten Violinpädagogen Tibor Varga und begann mit 14 Jahren ein Studium am Konservatorium Würzburg. Sein Ziel, Musiker zu werden, musste er aufgrund eines Unfalls aufgeben. Nach einem Grafikdesign-Studium und dem Erwerb der Berufspilotenlizenz ist Launer seit 1976 als Luftbildphotograph tätig. Sein aus über 200.000 Bildern bestehendes Archiv umfasst inzwischen Aufnahmen von etwa 70.000 Orten und Städten in Deutschland sowie Ansichten von Landschaften und Sehenswürdigkeiten in aller Welt. Neben Veröffentlichungen in zahlreichen Magazinen (Stern, View, Merian, Elle) sind von Gerhard Launer bisher mehr als ein Dutzend Bücher erschienen, darunter Deutschland von oben – Tag für Tag (2004), Deutschland – Eine Luftbildreise (2010) und der Band Deutschland – Entdeckung von oben, der im Herbst 2011 in der Verkaufsrangliste des Deutschen Buchhandels (Rubrik Bildbände) bis auf Platz 1 kletterte. Daneben entstanden 2011 der animierte Film Traumreise Deutschland sowie die Ausstellung Faszination Deutschland, die in zahlreichen deutschen Städten zu sehen war.

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